Der Berg Takao-San bei Tokyo

Ein Artikel für Patienten und Therapeuten, entstanden bei einer Wanderung auf den Berg Takao-San bei Tokyo

Der Berg Takao-San ist bloß etwa eineinhalb Stunden Bahnfahrt vom Zentrum Tokyos entfernt, falls man den richtigen Zug erwischt! Nehmen Sie nicht den Express, hier ist es wie in Bremen und Bremerhaven auch: Der RE von Bremen nach Bremerhaven, der bloß in Osterholz hält, ist viel schneller. Dies bloß für Reisende, die meine kleine Tour auch machen wollen. Es gibt ca. 5 Pfade den Berg hinauf, er ist ein beliebtes Ziel für Wanderer, auf seinem Gipfel ist ein Shinto-Schrein und man kann leckere Nudelsuppe essen, zumindest wurde mir das gesagt, denn als ich da war hatten die meisten Läden zu. Einige der Pfade führen mehr durch Wald und Natur und man braucht Wanderschuhe.

Einen solchen wählte ich auch auf meinem Rückweg und kam dabei auf die Idee für diesen Artikel. Denn die zahlreichen Pflanzen inspirierten mich dazu. Dieser Artikel ist für Therapeuten der Chinesischen Medizin & TCM Bremen und auch für Patienten, also versuche ich alles anschaulich zu erklären aber vielleicht auch dem TCM-Praktiker einen Einblick in das Kampo der Japaner zu geben.

Die Ansätze der Einzelkräuter und der Rezepturen in der TCM

Wir kennen aus der Chinesischen Medizin die beiden Ansätze, welche manchmal als entgegengesetzt dargestellt werden : Der Ansatz zum Beispiel von Qin Bo Wei ist der von Einzelkräutern und Behandlungsstrategien. Man muss hier viel über die einzelnen TCM Kräuter wissen und schreibt das Kräuterrezept quasi für jeden Patienten neu. Dann gibt es die Praktiker der Chinesischen Medizin, welche nur mit bestimmten Rezepturen arbeiten, gerne aus dem Shang Han Lun und verwandten Texten. Hier ist der Vorteil, daß man auf eine Rezeptur zurückgreift, mit der viele positive Erfahrungen gemacht wurden und welche von Therapeuten der Chinesischen Medizin geschrieben wurden, welche heute manchmal als Legenden gelten. In der Praxis meines Lehrers in Tokyo wird das Japanische Kampo praktiziert, welches Rezepte aus dem Shang Han Lun, dem Jing Gui Yao Lue und anderen Quellen stammen. Insofern sind Jing Fang (Verwendung von Shang Han Lun Rezepten in der TCM) und Kampo recht ähnlich. Allerdings halten sich die Japaner ganz streng an die Rezepturen, während man in China allgemein mehr modifiziert, selbst als echter „Jing Fang Mediziner“. Ich selbst praktiziere eine Mischung aus den obigen Stilen in meiner Praxis in Bremen. Alles weitere dazu finden Sie auf meiner Unterseite Kräuterheilkunde Bremen.

Konstitutionell vs Symptomatisch – Kampo vs Chinesische Medizin ?

Der einzelne Baum ist nur gesund, wenn der Wald gesund ist. Ein Spruch, der zu meiner Wanderung passt (Siehe Foto) jedoch auch voll auf den menschlichen Körper zutrifft. Hier kommt der sogenannte konstitutionelle Ansatz ins Spiel, bei welchem wir den Menschen als Ganzheit behandeln wollen, und nicht bloß ein Symptom angehen: Das Symptom hat eine Ursache, und diese wollen wir behandeln. Das ist ähnlich wie die Musteridentifikation in TCM, geht jedoch noch etwas weiter, weil wirklich jede Art von Symptom eine Rolle spielt und es zu einem Gesamtmuster kommt, das einer ganz bestimmten Rezeptur entspricht, und nicht einem pathologischen Muster wie zum Beispiel Milz-Qi Mangel.

Hier das Beispiel des „Freien-Wanderer-Pulvers“ (Xiao Yao San) : Wenn ein Patient unklar ist und vor allem subjektive, sich verändernde Symptome hat, so ist dies ein Faktor, der die Verwendung dieser Rezeptur begünstigt. Wir betrachten im Kampo also eine allgemein menschliche Verhaltensweise, was eher weniger in der TCM passiert. Ein wenig erinnert mich die Verwendung so spezifischer Indikatoren an die Homöopathie. Ein rein symptomatischer Ansatz hingegen würde bedeuten, daß wir zum Beispiel bei Magenschmerzen Kräuter geben, bei denen eine Wirkung auf den Magen bekannt ist, ohne überhaupt eine genauere Diagnose zu machen. Dies sind also die zwei Enden des Spektrums: Symptomatische TCM und Kampo oder Jing Fang in Reinform ohne Modifikation.

Der Gemischte Ansatz – Aus alt mach neu

Wahrscheinlich am häufigsten im Bereich der TCM-Rezeptierung anzutreffen ist ein „gemischter“ Ansatz, bei welchem eine bestehende, altbewährte Rezeptur modifiziert wird. Die Idee hierbei ist, das beste aus beiden Welten zu kombinieren. Man paßt das Kräuterrezept gemäß Chinesischer Medizin an, sodaß individuell genau für den Patienten stimmt. Zugleich hat man eine klassische Rezeptur als Basis, die sich über Jahrhunderte bewährt hat. Beliebt sind auch klassische Modifikationen, das heißt man nutzt eine Modifikation, welche schon oft erfolgreich verwendet wurde. Dieser Ansatz ist im Jing Fang der Chinesischen Medizin beliebt, aber im Japanischen Kampo nicht, hier wird meist ein „reines“ Rezept verwendet. Ich vermute, daß das Vertrauen in die alten Rezepte hier sehr groß ist und man das Rezept nicht durch eigene Modifikation verderben will. Das habe ich auch bei meinem Lehrer Masakazu Ikeda beobachtet.

Daoismus und Natur – Rückkehr zum Ursprung der Chinesischen Medizin

Das Su Wen ist eines der wichtigsten Klassischen Texte Chinesischer Medizin. Die hier dargestellte Lebensphilosophie sowie die darin enthaltenen Ideen zur Therapie mit Heilkräutern berücksichtigen zum Beispiel den Geschmack der Kräuter und ihre Temperatur. Hier spielen die Einzelkräuter also eine Rolle und ein Ansatz der individuellen Modifikation liegt nahe. Der Beginn jeder Kräuterheilkunde ist die Erforschung der Wirkung der Einzelkräuter, und die Daoisten machten dies zum Beispiel über das Probieren der Kräuter an sich selbst aber vor allem auch durch die Beobachtung der Heilpflanze in der Natur. Sie versuchten Schlußfolgerungen aus der Form, der Farbe usw zu ziehen.

Dang Gui zum Beispiel ist eines der wichtigsten Kräuter, welches in Rezepten zur Stärkung des Blutes verwendet wird. Es hat eine rötliche Farbe und schneidet man es durch, so wirkt es wie ein Blutgefäß. Hier haben wir die Signaturenlehre, welche versucht, von der Form oder auch dem Habitat einer Pflanze auf ihre Wirkung zu schließen. Allerdings : Entscheidend ist dann natürlich, daß sich das Heilkraut in der Praxis der Chinesischen Medizin bewährt. Durch das Schmecken und Beobachten der Pflanzen können wir uns also, so sagt die Signaturenlehrer und so sagen es auch die alten Daoisten, der Wirkung der Pflanze nähern. Wie man also sieht hat das Einzelkraut zumindest ursprünglich eine sehr hohe Bedeutung, die Rezepte entwickelten sich dann über die Jahrhunderte im Sinne von „komplexen Kräutern“. Beide Ansätze haben also ihre Berechtigung.